Da mich Norbert Palme freundlicherweise bereits erwähnt hat, möchte ich mich gerne an der spannenden und weitreichenden Diskussion um Elektro-Antrieb am Pinzgauer und generell einbinden. Trotz weitgehend ähnlich negativen Rückmeldungen wie hier im Forum habe ich 2015 meinen Haflinger auf reinen E-Antrieb umgebaut. Dabei habe ich mir die gleichen Überlegungen gemacht wie ihr alle!
Keine davon ist richtig oder falsch, keine die einzig umsetzbare Variante, keine wirklich umweltfreundlicher, aber auch nicht umweltschädlicher als Benzin oder Diesel. Gerne teile ich euch meine Gedanken und Erfahrungen zu dem Thema mit (nicht interessierte einfach weiter klicken!
)
Motor-Problematik:
Wenn ihr das Fahrzeug eurer Wahl legal auf die Strasse bringen wollt (gilt für A, D und CH gleichermassen), könnt ihr alles vergessen was nicht exakt am gleichen Ort wie der Verbrennermotor angeschraubt wird.
Nur so gilt es lediglich als "Motorentausch" und nicht als typenverändernde Umbauten, welche entsprechend den HEUTE gültigen Vorschriften geprüft werden müsste.
Radnabenmotoren eignen sich wegen der problematischen Steuerung nur für den Langsamverkehr bis ca. 25 km/h und trotzdem kaum im Gelände. Darum setzt - wie oben irgendwo richtig erwähnt - auch Tesla beim Allrad auf 2 Motoren via Differential. Man stelle sich bei 700 PS einfach mal für ein paar Sekunden 10% Kraftunterschied zwischen links und rechts vor, wenn der Controller grad mal eine (Überhitzungs-) Pause macht...
Zudem programmiert euch das keiner, auch nicht Brusa oder Kreisel, weil sich keiner die rechtlichen Finger verbrennen will.
Getriebe:
Weglassen oder auf einen blockierten Gang reduzieren kann, wer nicht mehr ins Gelände will, keinen Anhänger ziehen möchte und auch nicht wie ich am Berg wohnt. Da mag die Idee "Tesla" (Motor mehr oder weniger direkt auf das Diffential) durchaus Sinn machen.
Mit besagtem Elektro-Haflinger habe ich auf einem 450 kg schweren 2-Achs Anhänger beladen mit einem Benzinhaflinger nach Hause gezogen, 600 Höhenmeter auf 7 km. Klar hat mich das 20% Reichweite (und beinahe den Führerschein wegen der Anhängelast
) gekostet, aber es hat dank Getriebe problemlos funktioniert.
Leute, das dem Elektromotor angedichtete Drehmoment ab Null ist Fake!
Ein klein wenig Spiel im Getriebe reicht zwar aus, um das Drehmoment aufzubauen, nicht aber um es im tiefsten Drehzahlbereich über längere Zeit zu halten. Wer mir das nicht glaubt, leihe sich ein E-Serien-Auto aus, fahre frontal
bündig mit den Rädern an eine Bordsteinkante und versucht diese dann zu erklimmen.
Ein Elektromotor freut sich ausserdem über genügend Drehzahl, niedertouriges Fahren mag er gar nicht! Fahre ich längere Steigungen im zu hohen Gang, was von der Leistung her gut machbar ist, wird früher oder später entweder der Motor oder der Controller (oder beides, was auf ein gut abgestimmtes System schliessen lässt) zu heiss.
Energieträger:
Ja, die heutige Batterietechnik steckt noch in den Kinderschuhen, Lithium wird oft durch deren Träger gefördert, viele Probleme sind noch nicht gelöst. Bei eurem Handy, eurem Laptop, allenfalls eurem E-Bike, ja selbst in eurer Kleidung steckt ebenfalls zu oft Kinderarbeit dahinter! Kritiker der E-Mobilität vergessen schnell und gerne, welche Umweltprobleme uns die fossilen Brennstoffe nicht erst an unserem Auspuff, sondern viel mehr bei deren Förderung und Transporte bescheren.
Diese Probleme können wir jedoch mit unserer derzeitigen "Geiz ist geil"-Politik nicht lösen.
Mobilität - (fast) egal in welcher Form - belastet nun mal die Umwelt!
Trotzdem: Elektrische Energie lässt sich derzeit mit keiner anderen Technologie effizienter speichern als mit Batterien. Wir reden hier von 90-95% Wirkungsgrad gegenüber 60-70% bei Brennstoffzellen, 30-35% bei Wasserstoff und lediglich 20-25% bei Verbrennermotoren.
Im Elektro-Haflinger sind beidseitig angebrachte Batteriepacks mit total 19 kWh Speicherkapazität und 160 kg Gewicht verbaut. Das reicht für 80 km Reichweite, ob Strasse oder Gelände ist fast egal bei dem Rollwiderstand eines Haflingers. Es lässt aber erahnen, was es für den Pinzgauer bedeuten würde bei brauchbarer Reichweite...
Und ja, Norbert hat recht, an den Haflingertreffen suche ich im Unwissen der noch kommenden Streckenabschnitten bei jeder Pause eine Steckdose (240V/12A), was sich bis jetzt im Nachhinein allerdings als nicht notwendig heraus gestellt hat. Auch am Erzbergtreffen 2015 bin ich ohne Nachladen 2 Tage im Gelände rumgegurkt und hab auch am Seiberer-Bergpreis erfolgreich teilnehmen können. Eine Schnell-Ladefunktion habe ich aus Platz- und Kostengründen beim Haflinger nicht realisiert.
Ladestationen:
Die langsame Ladetechnik ab üblicher 240V/12A Steckdose ist wohl weltweit kein wirkliches Problem. Bei einem Verbrauch von 20-40 kWh auf 100 km reicht eine Nacht durchaus um die Batterie wieder voll zu bekommen.
Das würde - zumindest in Europa - auch das derzeitige Stromnetz im grossen Stil verkraften. Die Schnell-Ladesäulen mit 50 kW und mehr bringen die wirklichen Probleme. Da sind andere Lösungen gefragt, wie z.B. einheitliche Tauschbatterien, doch davon ist die Industrie noch sehr weit entfernt.
Für den Arbeitsweg aber - immerhin für fast 90% der von euch zurück gelegten Kilometer verantwortlich - reicht das Nachladen über Nacht problemlos. Also zu der Zeit, wo die meisten Kraftwerke ohnehin nicht wissen wohin mit ihrem Strom.
Auch hier wird mehr am Problem vorbei diskutiert statt Taten folgen zu lassen:
Mit meinem Alltagsauto Mitsubishi i-MiEV (ja, er ist so hässlich wie sein Name, aber er fährt!
) habe ich seit Ende 2016 von den bisher 776 Ladevorgängen 9 reichweitenbedingte Schnell-Ladungen vorgenommen und nebenbei erwähnt für die gut 38'000 bisher gefahrenen km 2 Rappen pro km Strom verfahren. Auch Rechnungsmuffel erkennen: Es ist etwa 5x weniger als bei einem sparsamen Verbrenner und 15x weniger als beim Pinzgauer. Das Fahrzeug und die Batterie sind jetzt 9 Jahre alt, alle Zellen sind intakt, die Leistungsminderung ist unter 5%.
Grundsätzlich:
Wenn du auf Elektro umsteigen willst, weil du Spritkosten sparen willst: Vergiss es!
Sind es Umweltüberlegungen? Vergiss es ebenfalls!
Du liebst das Motorengedröhne, die Abgase in der Nase, die Tankstellenbesuche mit den Benzin- und Dieselgerüchen? Vergiss es erst recht!
Findest du Elektrofahren geil? Dann mach es, koste es was es wolle!
https://digidoc.ch/haflinger