Der erste Weltkrieg in den Alpen

Touren und Reiseberichte aus dem europäischen Ausland

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Stef@n
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Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von Stef@n »

Strafexpedition


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Vorab noch…

Dieses Jahr steht der Urlaub weniger im Zeichen der Suche nach möglichst vielen unbefestigten Militärstraßen, eher steht der Ursprung dieser Bauten im Vordergrund: Der 1.Weltkrieg in den Alpen. Vorbereitet durch diverse Recherchen zum Thema sowie die Trilogie von Heinz von Lichem „Krieg in den Alpen, 1915-1918“, sind Geri, Geli und ich neugierig geworden, was 100 Jahre nach Kriegsausbruch davon noch zu finden ist. Verbinden wollen wir das mit ein paar schönen Tagen in den italienischen Bergen.
Als Ziele sind fix die „Strada della 52 Gallerie“ als Tageswanderung und das „Altopiano de Sette Comuni“, die Hochebene der Sieben Gemeinden. Diese Hocheben ist eine Sprachinsel östliche des Etschtales, auf der es zum einen im Krieg ziemlich wüst zugegangen ist und zum anderen wohl noch ein paar schöne Schottersträßchen haben soll. Dort leben die Zimbren und entsprechend wir zimbrisch gesprochen, ein fast ausgestorbener Dialekt, der vermutlich aus dem Bayrischen entstand und jetzt sogar wieder an den Schulen unterrichtet wird. Am Heimweg will ich dann noch am Stilfser Joch auf Entdeckungstour gehen, um einen Eindruck zu gewinnen, was Krieg auf über 3000m Seehöhe bedeutet.
Das fatale an diesem Krieg in den Alpen ist, dass die Gebiete schon vor dem Krieg am grünen Tisch verteilt wurden und die Soldaten in großen Teilen um sonst auf dem Schlachtfeld blieben.
Es sind im Bericht Bilder zu sehen, die eventuell dem einen oder anderen nicht angemessen erscheinen mögen, auch der Titel wird im Kontext mit dem ersten Weltkrieg als eventuell etwas unpassend erscheinen. Ich sehe das eher als Möglichkeit, die Begrifflichkeiten und Erinnerungen wach zu halten und bitte daher, es auch aus dieser Sicht zu betrachten.
Was Fahrverbote angeht, bin ich eher vorsichtig. Gesperrt ist für mich inzwischen eben gesperrt. Die ewige Diskussion, ob in Italien das rote runde Schild ohne Gesetzestext nur einem Haftungsausschluss gleich kommt, ist für mich müßig. Sicher schränke ich mich dadurch noch mehr in den Strecken ein, aber für mich ist hier eben Schluss. Das darf jeder halten, wie er meint, vor 20 Jahren bin ich mit der Enduro auf der Assietta auch jeden Hügel rechts und links der Strecke hoch. Heut ist dort eine rigoros kontrollierte (!) Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30km/h, Parkverbot außerhalb der ausgewiesenen Parkplätze und fast der ganzen Strecke entlang hat‘s Leitplanken aus Holz, damit keiner auch nur einen Meter die Piste verlässt. Der Krug geht eben so lange zum Brunnen, bis er kotzt. Oder so ähnlich… :wink:


Samstag

Wir treffen uns in Hittisau im Bregenzer Wald an der Tanke und starten in Richtung Südtirol. Ich lasse Geri und Geli voraus fahren, die kennen sich da unten deutlich besser aus als ich und außerdem sind beides Kinder der Berge und somit als Scouts ideal. Es nieselt vor sich hin. Na eigentlich bin ich ja gewöhnt, das Dach am Urlaubsanfang auf zu machen und am Schluss wieder zu. Wird wohl dieses Jahr ein bisschen anders.

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Den Hochtannbergpass hoch begleiten wir ein Radrennen. Tolles Wetter erwischt, die Jungs und Mädels. Aber es gibt noch eine Steigerung. Ein Almabtrieb mit toll geschmückten Kühen auf der gleichen Straße. In Verbindung mit dem Regen und den Autos wird das dann besonders spannend und es sieht so aus, wie wenn alle aus einem Team wären. Alle haben auf Brust und Rücken einen braungrünen Streifen… Mmmmmmh! :mrgreen:
Für uns geht’s weiter nach Landeck und in Richtung Reschen. Wir biegen unterwegs ab nach Samnaun, Zollanschlussgebiet. Die Anfahrt wird natürlich nicht auf der breiten Straße durchgeführt, sondern über eine kleine Nebenstrecke, auf der ich schon langsam um mein Schneckenhäusle hinten aufm SAN Angst haben muss, so eng sind die Tunnels. Und selbstverständlich aus Naturfels, damit´s ordentliche Schrammen gäbe. Wir haben aber keinen nennenswerten Gegenverkehr und so geht alles gut. In Samnaun werden dann die Tanks gefüllt. Hier macht Tanken schon fast Spaß: Sensationelle 96,3Cent pro Liter! 8)

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Weiter geht’s über die Norbertshöhe, Nauders, das Vinschgau in die Südtiroler Ebene. Geplant war, ein Krankenbesuch im Ultental zu machen. Geri und Geli haben da bei einem Urlaub in einem Hotel einen Pinzi ausfindig gemacht, dem es wirklich nicht besonders gut geht. Und da wollten wir eben etwas Beistand leisten. :D
Da es aber wirklich nicht so richtig warm ist, bleiben wir für die Nacht unten in Lana und suchen einen Camping. An der Rezeption war dann ein „Haben Sie reserviert? Alles voll!“ zu vernehmen. Blöd! Auf Nachfrage gab er uns dann einen Prospekt über die restlichen Plätze in Südtirol und wir haben angefangen zu blättern. Plötzlich war dann doch was frei, dafür gab’s dann aber auch keine Rechnung (doch, wir haben bezahlt). Den ersten Abend in Italien (ja, ich weiß, Südtirol ist NICHT Italien) haben wir dann mit einer Pizza gefeiert und einen Rotwein dazu genommen. Zur Verabschiedung gab’s einen Limoncello vom Chef. Geri sagt (in weiser Voraussicht? :mrgreen:): „Der schmeckt wie Zitronenspülmittel!“…

Sonntag

Nachdem wir ordentlich ausgeschlafen und den Kaffee geschlürft haben, starten wir Richtung Ultental.

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Geht ein ganz schönes Stück in die Berge rein und ich gespannt, was es da zu sehen geben wird. „Auf ´nen Kaffee“ hat es geheißen. Es wird etwas mehr werden.
Am Hotel angekommen, gibt’s eine sehr herzliche Begrüßung für Geri und Geli und sehr schnell ist klar, dass wir eine Nacht aufm Parkplatz beim kranken Kollegen bleiben dürfen.

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Er hat aber schon einen Nachfolger und da der Chef des Hauses Jahrgänger zum alten Pinzi ist, besteht Hoffnung, dass er vielleicht mal frisch aufgebaut wird. Bis dahin fährt man Rheinbraun.

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Wir ordern dann gleich das Abendessen und was man beim Chef in der Küche so liegen sieht, verspricht einen ordentlichen Gaumenkitzel!
Zum Zeitvertreib und um mich als „Nebelkatz“ (sagt Geri immer, von wegen „viel Nebel im Winter am See da unten“ ) ein bisschen zu akklimatisieren, wandern wir das Tal aufwärts zu den Urlärchen.

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Solch mächtige Vertreter dieser Bäume habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen und ich bin sehr beeindruckt! Am Heimweg liegt noch eine Jaus‘nstation und wer will schon Südtirol passieren, ohne den Speck probiert zu haben?! Ob Geli eine Speckallergie hat oder warum sie nießen muss, hat sie mir dann nicht verraten…

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Nach der anstrengenden Wanderung, geht’s zuerst mal in die Wellnessoase im Hotel. Bissel Whirlpool, ein paar Bahnen schwimmen und man ist gleich ein neuer Mensch. Und schon ist es Zeit fürs Abendessen. Ohne Übertreibung kann ich sagen, dass das aufgefahrene fünfgängige Menü so leicht nicht zu toppen ist. Regionale Küche kombiniert mit regionalen Produkten ist einfach unschlagbar. Dazu ein feines Glas Wein. Sowas hab ich dann im Pinziurlaub noch nie erlebt. Wenn jemand mal ein paar schöne Tage im Hotel in den Bergen verbringen möchte: Der Waltershof im Ultental ist uneingeschränkt zu empfehlen! Mit vollem Bauch und gutem Gefühl geht’s ab in die Pinzis. Wir schlafen wie die Murmeltiere…

Montag

Nachdem wir im Hotel noch ein hervorragendes Frühstück genossen haben, geht’s wieder talwärts und über einen namenlosen Parallelpass des Gampenjochs in Richtung Brenta-Gruppe. Von der Passhöhe aus wandern wir auf das „Staünamandl“, eine Kuppe, von der wir einen herrlichen Blick in Richtung Brenta, Dolomiten und die restlichen Berge ringsum haben.

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Am Abstieg verspüren wir ein leichtes Hungergefühl und so gibt’s eine Jaus‘n auf einer Alpe.

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Wir haben uns den Lago di Caldonazzo östliche des Etschtal und nördlich der Hochebene der sieben Gemeinden als Ausgangspunkt ausgesucht. Über Bozen und Trento geht’s dorthin. Dort finden wir schnell einen Platz auf dem Camping, spazieren noch kurz ins Dorf zum Einkaufen und werfen den Grill an.

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Wir planen die ersten Touren für den nächsten Tag. Dabei halten wir uns an Vorschläge aus „GPS OFF-ROAD Reiseführer – Westalpen Gardasee“ von Sabine und Burkhard Koch. Die Tracks hab ich mir aufs altehrwürdige Garmin 276C gezogen, für mich immer noch der Maßstab für sowas. Dann geht’s ab ins Nest, morgen wird’s spannend!

Dienstag

Geli hat beschlossen, den Tag am See und auf dem Platz zu verbringen und uns Buben allein zum Spielen zu schicken. Wir starten also nur mit meinem SAN. Zwei Leut in zwei Autos ist doof, zumal ein Navigator eh eine feine Erfindung ist. Wir fahren also das Val Sugana bis wir in Richtung Enego abbiegen können. Ziel ist der Monte Lisser, dort gibt’s wohl ein Fort zu besichtigen und die Zufahrt ist geschottert. Zuerst geht’s ganz gehörig den Berg hoch und es ist eine ganz ordentliche Kurbelei in den Kehren. Dann kommt endlich der Moment, in dem der Asphalt aufhört und es geht auf Schotter weiter. Als wir um den Hang herum sind, ist da leider eine Schranke mit einem Verbotsschild und dem Hinweis auf Privatgrund.

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Zum Laufen ist es noch etwas weit. Da wir beide den Wunsch des Besitzers respektieren und keiner in der Nähe ist, den wir fragen können, belassen wir es dabei und starten zur nächsten Tour. Es soll eine Rundtour zum Monte Lozze sein. Die Strecke ist wunderschön zu fahren, teils leider auch schon asphaltiert und wir haben den Eindruck, ganz Italien ist auf den Sieben Gemeinden beim Pilze suchen. Unterwegs kommen immer wieder spannende Infos zum „großen Krieg“ auf gut aufgemachten Schautafeln. Der erste Abstecher geht an eine schöne Gedenkkapelle hoch, ist aber eine Sackgasse.

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Von da aus würde es dann per Pedes weitergehen. Also wieder runter und weiter zum Piazzale Lozze. Von dort aus könnte man einige spannende Wanderungen in die Berge machen. Die Schautafeln werden neugierig studiert.

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Wir wollen aber vor der Deadline um 18:00Uhr wieder am See sein und fahren weiter. Ein weiterer Abstecher ist dann schon spannender. Die Strecke ist etwas wilder und nur noch einspurig.

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Oben ist ein kleiner Wanderparkplatz, von dem aus es auf den Monte Forno geht. Den nehme ich mir dann vor, wenn Geri und Geli wieder aufm Heimweg sind. Wir fahren den Rundweg noch fertig und dann wieder runter an den Caldonazzo-See. Der Auftrag für unterwegs: Frischen Salat besorgen!
Es geht über Gallio und Asiago in Richtung Kaiserjägerstraße. Leider finden wir auf Höhe Lusern den Abzweig nicht, weil dort der eine Wegweiser den anderen verdeckt und fahren so eben noch einen kleinen Haken, der aber den Vorteil hat, dass wir jetzt wissen, wo die Forts/Werke Lusern, Belvedere/Gschwent und Verle zu finden sind.
Am See werden wir schon erwartet und wir lassen uns bald das Abendessen schmecken. Der Plan für den folgenden Tag wird geschmiedet: In aller Ruhe geht’s zur Bocchetta de Campiglia, dem Ausgangspunkt der Strada della 52 Gallerie und auf dem Weg dorthin nehmen wir eben noch mit, was es zu sehen gibt, da wir genug Zeit haben.

Mittwoch

Nach dem Frühstück und unter den wütenden Augen eines SUV-Fahrers verlassen wir den Camping. Seiner Meinung nach scheinen wir zu schnell über den Platz gerast zu sein. Sind das nicht die Typen, die auf der Autobahn immer auf der linken Spur lichthupenderweise unterwegs sind? Egal, Urlaub…
Und diesmal finden wir den Einstieg in die Kaiserjägerstraße, die auf die Sieben Gemeinden hoch führt. Das Ding ist echt fahrenswert! Wobei ich mit dem SAN froh bin, dass mir das Lieferwägele erst oben entgegen kommt. Im Tunnel wäre das weniger geschickt gewesen!!!
An einer großen Kreuzung ist der Weg zu Fort Verle ausgeschildert. Na nix wie den Anker werfen, die Pinzis abtellen und die paar Meter hoch wandern.

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Ziemlicher Schutthaufen. Und vor allem schade drum, wenn man den Büchern von Heinz von Lichem Glauben schenken darf, dass das Fort nach Kriegsende noch annähernd kampfbereit war und mehr oder weniger zur Stahlgewinnung gesprengt wurde.
Weiter geht’s in Richtung Bocchetta die Campiglia und am Passo di Xomo sehen wir noch eine Kopie von Karlheinz & Sonja´s El Escudero. Also ich finde, die zwei sehen sich zum Verwechseln ähnlich… :lol: :lol: :lol:

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Oben an der Bocchetta de Campiglia angekommen, finden wir einen genialen Parkplatz, den wir direkt zum Nächtigen nutzen werden. Wir sind noch sehr früh dran und schauen uns ein wenig in der Gegend um. Ein Richtung Norden geneigter Hang ist komplett von Granattrichtern übersät, die auch heute noch auszumachen sind. Und der Eingang zu unserer morgigen Tour ist sehr ansprechend aufgemacht.

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Geri´s Kommentar dazu, nachdem wir die Strada gelaufen sind und quasi jede schlecht einsehbare Kaverne mit kleinen weissen „Friedensfähnchen“ verziert war: „Für das Geld hätten´s lieber unten und oben ein Dixi aufgestellt!“
Wir wandern noch ein Stück die Strada degli Scarubbi hoch zu einer Alpe und füllen unseren Vorrat an Käse und Butter auf, trinken noch einen Espresso.
Das Wetter zickt etwas rum, es bleibt aber, zumindest solange es hell ist, trocken.

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Zum Abend gibt’s nur eine Kleinigkeit und wir verschwinden zeitig in den Kojen. Der Bergführer hat für 08:00Uhr Abmarsch angesagt. Und dass langsam gelaufen wird… :wink:

Donnerstag

Um sieben klingelt der Wecker. Und ich dachte, wir haben Urlaub! Macht nix, Frühstück hergerichtet, Rucksack gepackt, Stirnlampe hergerichtet und los kann‘s gehen. Moment, noch nicht ganz. Schnell noch abspülen. Ich schnapp mir die drei Kaffeetassen, einen Tropfen Zitronenspülmittel rein, suche noch den Spüllappen und sehe gerade noch, wie Geri seinen Löffel ruas nimmt und abschleckt und „leicht angewidert“ das Gesicht verzieht. Vor lauter Lachen kann ich mir das „Schmeckt fast wie Limoncello, gell?“ gerade noch so verkneifen und wir bitten ihn, jetzt nicht zu husten. Von wegen der Seifenblasen… :mrgreen:
Schon die ersten paar Meter sind sehr spannend und mit vielen Infos gespickt. In einer der ersten Kavernen findet sich ein Geschütz.

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Der Weg steigt weiter an und es folgt Tunnel auf Tunnel. Die Strecke ist sehr abenteuerlich angelegt.

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Vor dem Hintergrund, dass das in wenigen Monaten erbautwurde, kann man von den Soldaten ob dieser Leistung nur den Hut ziehen! Einige Tunnels sind im Berg als Wendel angelegt, die sich bis zu viermal um die eigene Achse dreht und dann als Krönung oben noch in einer Felsnadel heraus kommt.

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Die weitere Streckenführung ist atemberaubend und ständig ergeben sich neue Ausblicke.

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Irgendwann kommt dann das Rifugio Generale Achille Papa in Sicht…

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… und die 52 Tunnels sind geschafft.

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Belohnt werden wir mit einem schmackhaften Essen im Rifugio und nach einer kurzen Pause machen wir uns auf dem Fahrweg zum Rifugio, der Strada degli Scarubbi auf den Weg zurück zu unseren Pinzgauern.
Am Parkplatz angekommen, beraten wir, was wir mit den restlichen Tagen noch anfangen sollen. Da es oben in den Bergen vor allem abends schon merklich kühl ist, wird mein Vorschlag, an den Gardasee zu fahren, angenommen. Auch wenn es für Baden-Württemberg und Bayern noch die letzten Ferientage sind, hoffen wir auf einen freien Platz auf einem Camping, um uns wieder duschen zu können.
Am Heimweg machen wir noch einen kurzen Stopp an einem Kriegerdenkmal, einem Orsario.

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Diese Pause bringt für mich eine gewisse Wende in die ganze Sache und ich sehe die Leistungen der Soldaten in einem neuen Licht: Im Sockel des Denkmals sind die Überreste von über 6.500 Soldaten beigesetzt! Und durch kunstvolle Lüftungsschlitze kann man Schädel und weitere menschliche Knochen erkennen.

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Für mich wird der sinnlose Tod dieser Menschen auf einmal greifbar und real.

Gedankenversunken fahre ich hinter Geri und Geli her, weiter in Richtung Etschtal und dann an den Gardasee. Auf Anhieb bekommen wir auf meinem Lieblingscampingplatz „Arco Lido“ in Torbole einen Platz zwischen der ganzen Weißware und den surfenden und mountainbikenden Münchnern in ihren hippen AuWeh T5 und T6 Westfalia und lassen uns nieder.

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Ab unter die Dusche, wir haben beschlossen, am Abend zu grillen. Das tote Tier dazu haben wir unterwegs eingekauft. Und so räuchern wir schön den Campingplatz ein und ernten interessanten Blicke zwischen Neid (eher die männlichen Passanten) und Unverständnis (eher die vegan-weibliche Fraktion). Ein Glas Rotwein dazu bzw. ein kühles Bier direkt aus der Kühlbox: Kann es einem nach so einem Tag besser gehen? 8)
Irgendwann fallen wir unter den Eindrücken von diesem besonderen Tag ziemlich geplättet in die Betten…

Freitag

Ganz gemütlich wird an diesem Gammeltag ausgeschlafen. Nach einem ausgiebigen Frühstück beschließen Geri und ich, dass wir endlich mal den Monte Brione besteigen (das ist der sichelförmige Fels zwischen Torbole und Riva), nachdem wir schon oft genug drum rum unterwegs waren. Also kurzerhand rüber nach Riva spaziert und an der Festung geht’s los mit dem Weg in die Höhe. Im Nachhinein betrachtet war der dann doch etwas höher, als gedacht! Aber natürlich haben wir uns nix anmerken lassen und die Aussicht genossen.

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Am Abstieg kurz vor Riva, kann ich dann Geri, trotz heftigen Widerstands :o), dazu überreden, in die Sailing Bar am Hafen einzukehren und einen kurzen Drink zu nehmen. Das haben wir uns verdient! Und wie immer ist es dort echt toll, direkt am Wasser, in der Sonne sitzen und einen Cappuccino bzw. eine Sprizz Aperol schlürfen und schauen, was so vorbeiradelt. Hach, kann das Leben doch herrlich sein! 8)
Irgendwann machen wir uns auf den Rückweg nach Torbole und beschließen, später nochmal Pizza essen zu gehen. Es ist noch Zeit und so machen wir vorher noch einen Spaziergang durchs geschäftige Torbole, ich schau mich nach Wanderkarten für die Sieben Gemeinden um und damit ich‘s bis zum Abend aushalte ohne zu quengeln, gibt’s noch ein Eis… :wink:
Am Abend versuchen wir unser Glück im Ristorante Al Porto. Aber die Schlangen vorm Lokal vertreiben uns in ein dunkles Sträßchen, dort sitzt jemand vorm Lokal und verspeist eine vielversprechende Pizza. Also nix wie rein und nach einem Tisch gefragt. Die Pizzen, die dann serviert werden, sind die größten runden, die ich jemals gesehen habe. Der Teller darunter kann nur aufgrund der Höhe erahnt werden. Und die Pizza ist nicht nur groß sondern auch wirklich gut!
Am Heimweg geht’s nochmal am See entlang. Morgen ist Samstag. Geri und Geli müssen leider schon zurück nach Oberstdorf. Und ich bin noch am überlegen, wie es weitergeht…

Samstag

Wir frühstücken noch zusammen und anschließend trennen sich unsere Wege. Leider! Selten hab ich so einen entspannten Urlaub gehabt. Aber wat mutt, dat mutt… Sehr schade, es waren herrliche Tage!
Ich versuche noch über zwei Stunden in Arco eine Glühbirne für mein Bremslicht aufzutreiben. Gar nicht so einfach, 24V sind einfach keine gängige Spannung. Letztendlich gelingt es mir beim Bosch Service und ich bin endlich wieder verkehrssicher unterwegs. Ich fahre zurück auf die Sieben Gemeinden und schaue mir die Stellungen am Monte Lozze bzw. am Monte Forno genauer an.

Alles ist toll beschildert und noch recht gut erhalten.

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Und trotzdem findet man allerhand, was mir die Tage darauf auch am Stilfser Joch wieder begegnen wird und ich somit als authentisch betrachte.

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Das unscharfe graublaue im Vordergrund ist dem Gewicht nach aus Blei und ich denke, dass es ein eingeschlagenes Gewehrgeschoss ist.

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Spannend ist auch, die Ruinen mit den Bildern auf den Tafeln zu vergleichen, die die Baracken im unzerstörten Zustand zeigen.
Ich steige wieder ab und fahre noch ein Stück. Monte Verena und Strada della Cucca waren leider gesperrt und langsam macht sich ein leichter Pessimismus breit.
Mein Tagesziel für den nächsten Tag ist Laas im Vinschgau und ich bin so frei und stelle mich zu zwei italienischen Campern im Wald, die gerade am Grillen sind. Sie sind hellauf begeistert vom Pinzi und obwohl die Verständigung nicht ganz einfach bzw. eher körperlich anstrengend ist, wird es ein schöner Abend.

Sonntag

Die Nacht ist etwas unruhig und wenn es direkt neben dem Pinzi ziemlich schwer schnauft, wie es nur sehr große Tiere machen, dann wird man doch etwas unruhig. Aber da Bären keine Glocken um den Hals haben, ist die Gefahr überschaubar. :wink:
Morgens mache ich mir leise meinen Kaffee.

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Dann mach ich mich auf den Weg gen Norden. Ich hoffe, um den Ferienrückreiseverkehr einigermaßen herum zu kommen und beschließe noch das Fort Lusern und das Werk Gschwent / Fort Belvedere zu besuchen. Die Landschaft ist überall gezeichnet vom Krieg. Und das 100 Jahre danach. Überall Granattrichter…

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Das Fort Lusern ist zu Fuß sehr gut von der Malga Millegrobbe (Alpe) oberhalb Lusern zu erreichen. Ein schöner Spaziergang durch die vom Krieg gezeichnete Landschaft auf den Sieben Gemeinden. Leider war das Fort dann gesperrt, da es gerade renoviert wird. Es kommt ein Dach drüber und so wie es aussieht, kann das Fort dann später von oben auf Laufstegen besichtigt werden. Nicht schlecht! Also ausser für mich jetzt gerade, ringsrum steht ein Bauzaun…

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Am Rückweg gibt’s dann noch eine Überraschung. Ich entdecke nachbildete Laufgräben der österreichisch-ungarischen Streitkräfte.

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Auf dem Weg kurz vorm Parkplatz fährt mir dann noch wahrer Offroader, ein 10x10 (oder so), über den Weg. :lol:

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Ich fahre weiter und suche das Werk Gschwent. Die Zufahrt ist gut ausgeschildert und der letzte Kilometer ist gut zu gehen. Was ich dann entdecke, übertrifft meine Erwartungen bei weitem! Das Fort ist ein wirklich tolles Museum mit vielen authentischen Ausstellungsstücken und einigen spannenden Toninstallationen umgebaut, die den Alltag im Kampf erdrückend wiedergeben.

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Gute drei Stunden gehen für die Besichtigung drauf und ich bin wieder mal sehr nachdenklich, was die Sinnlosigkeit dieses großen Sterbens angeht.
Dann mache ich mich über Landstraßen auf den Weg ins Vinschgau. Ich freu mich auf einen meiner Lieblingscampingplätze, den Badlerhof der Familie Hellriegl. Es läuft gut, kein Stau, kein Stocken. Zumindest auf meiner Spur! Die Gegenrichtung staut sich durchs halbe Vinschgau bis an die Brauerei in Forst! Glücklicherweise bekomme ich einen Platz und geniesse wieder mal eine warme Dusche. Nach dem Abendessen lege ich mich hin und lese noch ein wenig Reiseliteratur, bis mir die Augen zu fallen.

Montag

Es regnet. Schon die ganze Nacht. Aber war ja vorhergesagt.
Um nicht den ganzen Tag im Auto zu hocken, beschließe ich, mit der Bahnkarte vom Campingplatz nach Meran zu fahren.
Ich bin nicht der Einzige mit dieser Idee. Meran ist eine unüberschaubare, sich bewegende Ausstellung knallbunter Outdoorklamottenträger! Eine Stunde und eine Kaffee lange halte ich das aus, dann steig ich wieder in den Zug ab geht’s ins Vinschgau.
Ich geh noch ins Dorf zum Einkaufen und freu mich, dass es gerade um Laas herum ab und zu mal blauen Himmel zu sehen gibt.
Abends mach ich mir ein paar Nudeln mit Pesto und leg mich zeitig ab.

Dienstag

Um sieben Uhr wache ich auf. Grad recht, komme ich zeitig los! Ab unter die Dusche, Kaffee gemacht und los geht’s Richtung Stilfser Joch, auf dem ich noch zwei Bergwanderungen zu Stellungen aus dem Krieg machen möchte.
Unten hat‘s Nebel, oben lugt manchmal die Sonne raus. Das Panorama auf König Ortler, Tuketspitze, Trafoier Eiswand ist atemberaubend. Besonders wenn man Cabrio fährt!

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Wobei, fahren kann man das nimmer nennen, was ein SAN auf über 2.500m Seehöhe macht. Kriechen. Wieder kommt mir das Bild von der Schnecke mit dem Häusle hinten drauf in den Sinn. Aber so hab ich wenigstens Zeit zum Schauen!
Oben angekommen, pfeift ein eisiger Wind! Also, rein in die Winterberghose, Mütze auf, zwei Jacken übereinander. Ziel ist der Monte Scorluzzo, der eine Schlüsselrolle in diesem Frontabschnitt gespielt hat. Spannend ist, dass es zwei Kuppen nebeneinander mit diesem Namen gibt. Auf der unteren saßen die Österreicher und auf der oberen die Italiener.

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Denkbar schlecht, zumindest für die erstgenannten! Ein Rittmeister hat dann in einer Hauruckaktion mit einer Handvoll Freiwilliger eigenmächtig die hohe Kuppe genommen. Der Kommandeur Lempruch muss wohl lange überlegt haben, ob er ihn vors Kriegsgericht stellen oder für einen Orden vorschlagen soll!
Ich schaffe es aber nicht bis hoch. Der Wind ist so eisig kalt und stark, dass ich Mühe hab, mich auf den Beinen zu halten. Ich breche ab und beschliesse, die andere Tour, zum Lager Lempruch und Lager Goldsee zu gehen. Also wieder runter auf die Paßhöhe und auf der anderen Seite hoch. Hier ist das Wetter erträglicher. Hier saßen im Hotel „Dreisprachenspitze“ die Schweizer und haben darauf geachtet, dass ihre Neutralität gewahrt bleibt! Weiter geht’s in Richtung Goldsee. Am Lager Lempruch (benannt nach dem Kommandeur des Frontabschnitts) fallen mir die Augen aus dem Kopf. Keine halbe Stunde neben dem vielbefahrenen Joch liegen Relikte zu tausenden.

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Auch die Konserven, die ich schon am Monte Forno gesehen hatte. Dazu noch ziemlich viele Ruinen und wohl eine der luftigsten Küchen, die es auf dieser Welt gibt.

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Und dazwischen als Kontrast die Natur, wie es strahlender kaum geht.

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Diese Gegensätze sind schlicht unglaublich. Zeit für eine Brotzeit. Zeit zum Nachdenken.

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Ich gehe die Runde noch fertig und zurück zum Pass.
Im Pinzi kann ich mich dann endlich windgeschützt umziehen. Ich mach das Dach wieder auf und lass den Pinzi auf der anderen Seite den Pass runter rollen. Ziel ist Livigno, um nochmal günstig zu tanken. 99Cent pro Liter. Solche Wucherer, ich fahr das nächste mal wieder nach Samnaun! :wink:
Der weitere Plan ist, im Bereich Berninapass zu nächtigen und am Mittwoch gemütlich heim zu fahren. Die netten Schweizer machen mir aber mit Schild an Schild deutlich, dass sie es nicht mögen, wenn man campiert und so entschliesse ich mich am Fuße des Albulapasses, gleich heim zu fahren. Moment, ein kleiner Zwischenstopp bei Karlheinz und Sonja muss schon noch sein, also Telefon raus und kurz angerufen. Alles klar, passt! Ankunftszeit: Gegen 20:00Uhr!
Über Flüelapass, Davos, Landquart geht’s ins Rheintal und nach Montlingen. Ich freu mich, die zwei zu sehen! Und übers dunkle Bier und den kleine Imbiss freu ich mich auch, danke ihr zwei! Dafür vergesse ich dann auch meine Basecap dort…
Anschliessend geht’s weiter bis nach Bregenz, nochmal kurz volltanken und dann ab nach Hause…
unverhofft
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Re: Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von unverhofft »

Sehr schöner Bericht, der neugierig macht und so ein komischen Jucken im Hintern verursacht, was wiederum zur Folge hat.. ich muss mich doch ein bisschen mehr beeilen mit dem Umbau :)

Schönes Wochenende allerseits!

p
Ganz aus dem Westen: 2m neben NL und 250m von den AWACS entfernt, immer öfter in der Argonne/F.
"phœnix" 712MK | Defender TD5 110 HT | TD4 2,4 110 Station | bis 2015: "Frettchen" 710M LPG/WoMo
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Udo
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Re: Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von Udo »

Toller Bericht, tolle Fotos ....und sehr nachdenkliche Momente.
Danke fürs Zeigen und Teilen ! :D
Gruß Udo
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Blume
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Re: Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von Blume »

wie geil ist das denn

super schön ...

wir sollten auch noch mal weg fahren


vielen dank


Wolken kein wind kein regen in aachen

gruß Blume
Zuletzt geändert von Blume am Mo Sep 21, 2015 9:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Karlheinz
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Re: Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von Karlheinz »

Super

Danke Stef@n für die Bilder und den Bericht.

gruss Karlheinz
My Pinzi is my castle.
Kolja
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Re: Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von Kolja »

Prima Bericht und Bilder!
Danke dafür.

Viele Grüße

Kolja
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WolfgangK
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Re: Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von WolfgangK »

Tolle Gegend, tolle Bilder!

Wer sich für solche Themen interessiert wird auch in Slowenien jede Menge spannende Punkte finden.

Alles ist hier super aufbereitet und mit mehrsprachigen Informationstafeln beschrieben.

Hier noch ein paar Bilder der ehemaligen Stellung Kolovrat an der Isonzo-Front (Soca Front), erst gestern aufgenommen :wink:

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Wolfgang
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Pinz-Max
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Re: Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von Pinz-Max »

...schlimme Zeiten, die hoffentlich Vergangenheit bleiben :cry:
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FrankL
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Re: Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von FrankL »

Vielen Dank für den schönen Reisebericht. Ich könnte gleich meinen Pinz satteln und losfahren.
Leider ist für mich die Anfahrt zu lang. In diesem Jahr muss ich wohl am Wiehengebirge bleiben.

Würde mich gern mal einer solchen Fahrt anschließen!
Sagt im nächsten Jahr, wenn so etwas ansteht mal kurz Bescheid im Forum.

Grüße aus OWL

Frank
Nur wo Du zufuß warst, da warst Du wirklich oder mit dem Pinzgauer!
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Stef@n
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Re: Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von Stef@n »

Markus SQ247 hat geschrieben:...schlimme Zeiten, die hoffentlich Vergangenheit bleiben :cry:
Wohl wahr!
Das war auch unsere Intention: Nicht den Krieg zu verherrlichen, sondern den Menschen zu gedenken, die dadurch in irgendeiner Form Schaden genommen haben...
Letztes Jahr bin ich ein kleines Stück den Sentiero della Pace gelaufen. Ein Weg entlang der Front vom Stilfser Joch bis nach Slowenien. Hab ich aber dann leider abbrechen müssen...
Gruß

Stefan
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Pinz-Max
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Re: Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von Pinz-Max »

Stef@n hat geschrieben: Das war auch unsere Intention: Nicht den Krieg zu verherrlichen, sondern den Menschen zu gedenken, die dadurch in irgendeiner Form Schaden genommen haben...
Hab ich auch nicht anders angenommen ;-)

Beste Grüße
Markus
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engele
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Re: Der erste Weltkrieg in den Alpen

Beitrag von engele »

Sehr schöne Bilder und tolle Strecke....

Beneidenswert.
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